Die endlose Linie    1992 Kraftstrasse 35, Zürich Stahlrohr, Durchmesser 6 cm Kreisradius 400 cm, Durchmesser 800 cm 22 Räume
Installation endlose Linie
Die endlose Linie.
Diese erinnert an ein überdimensioniertes Modell aus
dem Geometrie- oder Physikunterricht. Denn sie schafft das
scheinbar Unmögliche und verquickt die Umrisse eines
Würfels mit jenen einer Kugel. Das Gebilde reichte in der
Shedhalle fast bis zur Decke hinauf und wurde von einem
Stahlträger und einer Stütze durchdrungen. So vermittelte es
eher den Eindruck «einer eleganten, leichten Linie» als den
eines voluminösen Körpers.1
Der Künstler spricht von einer Raumzeichnung oder
von der Nulllinie. Er brachte in der Shedhalle zweierlei zusammen,
wie Max Wechsler schreibt: «Hier also eine Skulp-
DIE GROSSE UND DIE ENDLOSE LINIE (ZÜRICH / PERUGIA)
tur, die als Zeichnung im Raum aufzufassen, dort eine Zeichnung,
die auch räumlich zu verstehen war.»2
Die für Biel geschaffenen Stahlrohre passte Rütimann
1992 in eine leerstehende Villa an der Kraftstrasse am Zürichberg
ein. Für dieses aufwendige Projekt arbeitete er mit dem
Lehrstuhl für Architektur und CAAD der ETH Zürich zusammen.
Das Haus musste dafür neu vermessen werden. Mit
Computeranimation wurde die ideale Plazierung der Figur
im Haus bestimmt.1 Dann wurden die Durchbrüche durch
Böden, Decken und Wände gemacht und die Rohrsegmente
einzeln eingeschoben und miteinander verbunden. So führte
Die endlose Linie durch ein Haus mit 4 Stockwerken und 22
Zimmern. Die Gesamtform liess sich nur noch stückweise
nachvollziehen, indem man ihr zu Fuss durch die Räume
folgte und den Blick entlang den Rohren gleiten liess. Die
einzelnen Abschnitte mussten in der Vorstellung ergänzt
werden. Die Endlosigkeit war spürbar. Es gab weder einen
Anfang noch ein Ende, und man war fast gefordert, dies zu
überprüfen. Auch Christoph Rütimann tat dies: Mit einer
Videokamera fuhr er der Linie entlang und schuf so eine
Vorform seiner Handläufe.2
DIE GROSSE UND DIE ENDLOSE LINIE (ZÜRICH / PERUGIA)
Den Bezug zwischen der Endlosen Linie und der
Grossen Linie stellte Rütimann auch über die Masse her: Das
Stahlrohrgebilde war 4,669 Meter hoch, die Linie 46,69 Meter
lang. Mit dieser Zahl griff er auf die Chaoskonstante zurück,
die der Physiker und Chaosforscher Mitchell Feigenbaum Ende
der 1970er Jahre entdeckt hatte.3 Sie bezeichnet jenen
Wert, der immer dann auftaucht, wenn die Ordnung ins
Chaos kippt – für den Künstler ein «wunderschöner Widerspruch
»: Entweder ist Ordnung oder es herrscht Chaos, aber
nicht beides zugleich. Damit ist man bereits in Rütimanns
Gedankenwelt eingetaucht. Regel und Zufall, Chaos und
Ordnung werden ihn in seiner Arbeit immer wieder beschäftigen.
Dieselbe Konstellation – Die grosse Linie und
Die endlose Linie – baute Rütimann im gleichen Jahr im Palazzo
dei Priori in Perugia wieder auf. Die Ausmasse der Räume
glichen sich, das architektonische Umfeld war jedoch ein
denkbar anderes: Auf die lichte Industriearchitektur folgte
ein herrschaftlicher Palazzo. Genau darin bestand die Herausforderung
für den Künstler: Wie konnte er mit den Werken,
die er für einen Ort wie die Shedhalle geschaffen hatte, andernorts
umgehen? – Er ging mit System ans Werk, tauschte
die Rahmen zwischen Anfang und Ende aus und passte sie genau
in den neuen Raum ein. So setzte er Die grosse Linie neu
zusammen. Sie erstreckte sich im Palazzo auf der gemauerten
Wand, Die endlose Linie schlang sich um einen massiven
Pfeiler und reichte bis ins dunkle Gewölbe hinauf.
Im Innenhof der UBS Opfikon ist Die endlose Linie seit
1994 in einer permanenten Installation vollständig zu sehen.
Mit einem Durchmesser von 20 Metern nimmt sie hier noch
umfassendere Dimensionen an. Sie ist in den Innenhof eingepasst,
schmiegt sich der Architektur an und schwingt sich
über mehrere Stockwerke bis unter die verglaste Decke hinauf.
Die Raumzeichnung, wie Rütimann Die endlose Linie
auch nennt, unterscheidet sich von der Zeichnung auf Papier
vor allem in der Dimension. Für den Betrachter ist sie auf jedem
Stockwerk präsent. Sie kommt als dickes Stahlrohr auf
ihn zu und verschwindet in der Ferne wie ein feiner Bleistiftstrich.
Das Auge erliegt dem Sog der Linie, lässt sich von ihr
führen, verliert sich in den Windungen und fährt Achterbahn.
Und die Bewegungen des Auges übertragen sich auf die
Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum.3
Die endlose Linie   1991 Musée Schwab, Biel Stahlrohr, Durchmesser 6 cm Kreisradius 400 cm, Durchmesser 800 cm
Die endlose Linie 1994 Europastrasse 1, Zürich-Opfikon Stahlrohr, Durchmesser 12 cm
2000 x 2000 x 2000 cm    UBS Art Collection
Brillen   2000 Cibachrome ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert 122,5 x 141,5 cm Auflage 4 + 1
1 Barbara Basting, in: Du 1991, S. 70
2 Max Wechsler, in: Parkett 1996, S. 144
3 Harm Lux: «Notizen der Linie entlang», in: Zürich 1989,
DIE ENDLOSE LINIE: ZÜRICH, BIEL, OPFIKON
1 Vgl. Florian Wenz, in: Braunschweig / Wiesbaden 1993, S. 169
2 Siehe Handläufe, S. 197
3 Barbara Basting: «Kompositionskunde. Notizen zu den grossformatigen Zeichnungen von Christoph Rütimann», in: Stans 2001
Die endlose Linie 1993 Lokaal 01, Breda Stahlrohr,
Durchmesser 4,8 cm Würfel 467 x 467 x 467 cm,
Kugel Durchmesser 660 cm
Installation endlose Linie / endlose Birkenlinie
Installation endlose Linie /am Maschsee Hanover  2009
Installation endlose Linie mit zwei Enden Môtiers  2011
Installation endlose Linie  Kunsthaus Zug 2012
© 2013 Christoph Rütimann
Christoph Rütimann
© 2013 Christoph Rütimann
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